Interview mit Vera Rosenauer über ihre Seite „Abenteuer Erziehung“




Vera, deine Website nennt sich abenteuer-erziehung, was macht Erziehung für dich zum Abenteuer?

Für mich ist das Familienleben selbst wie ein Abenteuer. Du weißt nie genau, was auf dich zukommt – du ahnst nur so ungefähr, was passieren könnte. Deshalb ist es wichtig, eine gute Ausrüstung zu haben, die man im Bedarfsfall flexibel einsetzen kann.

Genau so eine Ausrüstung möchte ich meinen Leserinnen mitgeben – umfassend und flexibel, denn im Familienalltag gibt es für mich kein absolutes Richtig oder Falsch.

 

Vera, du berätst Mamis rund um das spannende Thema Erziehung. In einem deiner Blogartikel sprichst du von Ritualen & warum diese für Kinder so wichtig sind. Kannst du uns dieses Konzept kurz erläutern?

Meine Erfahrung ist, dass Rituale den Alltag mit Kindern unglaublich erleichtern. Kinder müssen viele Reize und Informationen verarbeiten und da ist es für sie unglaublich entspannend, wenn gewisse Dinge immer gleich ablaufen.

Beispiel: Wie genau bewegst du deine Arme, wenn du ein T-Shirt anziehst? Fällt es dir schwer, die genaue Reihenfolge zu benennen? Das fällt es wahrscheinlich jedem von uns, weil wir es eben im Lauf der Zeit bereits automatisiert haben. Für ein Kleinkind ist ein T-Shirt anziehen aber eine komplexe Aufgabe, in die es viel „Denkenergie“ investieren muss. Und das ist jetzt nur eine von vielen tagtäglichen „Anstrengungen“, die wir Erwachsenen gar nicht so bewusst wahrnehmen. Fein, wenn dann so manches nicht extra überlegt werden muss!

Und für die Eltern nehmen Rituale viel anstrengende „Diskussionsgelegenheiten“ aus dem Alltag. Wenn die Reihenfolge “Abendessen-Umziehen-Zähneputzen-ins-Bett-gehen” sich erst einmal automatisiert hat, dann muss ich als Mama viel weniger oft sagen „jetzt machen wir dies“, „jetzt machen wir das“ und mitunter Protest vom Kind ernten, das gerade seine Autonomiephase auslebt und selbst bestimmen möchte. Den Ablauf des Rituals bestimmt nämlich nicht die Mama, sondern das Ritual selbst.

 

Auf deinem Blog geht es auch um gesunde Ernährung – Beikost ist dabei immer wieder Thema. Wie kommt es zur Kombination von Erziehung & Ernährung?

Weil sich im Kleinkindalter die beiden Themen einfach oft überschneiden. Beikost ist oft die erste Frage, mit der Mütter zu mir in die Beratung oder in Mama-Baby-Runden kommen. Wenn das Baby vier bis fünf Monate alt ist, wird dieses Thema einfach aktuell. Da geht es erst einmal um Gesundheit, Allergieprophylaxe und um die Frage, wann und womit fang ich an.

Aber bald schon kommen Fragen dazu wie: Warum bleibt das Kind nicht am Tisch sitzen? Warum schmeckt dem Kind das Gemüse nicht mehr, das es bis jetzt begeistert gegessen hat? Und was und wie viel darf das Kind naschen? Deshalb möchte ich Mütter in beiden Bereichen kompetent begleiten.

 

Wie erkenne ich, dass mein kleiner Liebling ins Trotzalter gekommen ist & wie verhalte ich mich dabei am besten?

Wenn es soweit ist, wirst du es merken 🙂 . Bei vielen Kindern geht der erste Trotzanfall Hand in Hand mit dem Entwicklungsschritt, in dem sich das Kind als eigenständige Persönlichkeit erkennt. Das bringt mit sich, dass der andere etwas anderes wollen kann als ich und das macht mich jetzt wütend…

Von außen erkennst du diesen Entwicklungsschritt auch daran, dass das Kind sich plötzlich nicht mehr mit seinem Vornamen benennt, sondern „ich“ zu sich selber sagt. Wichtig ist, dass du die Trotz- und Wutanfälle deines Kindes nicht persönlich nimmst (ich weiß, leichter gesagt als getan!) und es darin begleitest, mit diesen starken Gefühlen und Frustrationen umzugehen. Bedenke immer, das ist auch für dein Kind nicht leicht und es macht es nicht mit Absicht!

 

Das Selbstbewusstsein & Selbstwertgefühl meiner Kinder möchte ich möglichst früh stärken. Wie kann ich ihnen dabei helfen?

Wichtig ist, dass wir das Kind so stärken möchten, wie es ist! Wir wollen mit der Stärkung des Selbstwertes keine risikobereiten „Ellbogen-Taktiker“ heranziehen, die überall dabei sind. Das wird leider oft so missverstanden. Eine Mama, deren Kind in der Spielgruppe den anderen lieber mal zuschaut, macht sich erfahrungsgemäß oft Sorgen, dass ihr Kind zu wenig Selbstwert hat, weil es nicht mitspielt.

Dabei ist das Kind vielleicht ein guter Beobachter und möchte nur in Ruhe sehen, was die anderen Kinder mit diesen neuen Spielzeugen alles anstellen. Oder es ist sozial sehr geschickt, weil es zuerst schaut, wie die Gruppe der anderen Kinder spielt und wo es einen Platz gibt bzw. wo es sich gut einfügen könnte. Beides zeugt von einem gesunden Selbstwert, dem es eher schaden würde, wenn die Mama jetzt krampfhaft bemüht ist, ihr Kind zum Spielen mit den Anderen zu überreden. Das Kind bekommt dadurch viel eher den Eindruck, dass mit ihm etwas falsch ist!

Also – sehe, akzeptiere und wertschätze die Stärken, die dein Kind hat. Und mach dich auch auf die Suche, was denn die Stärke hinter der zuerst von dir vermuteten Schwäche ist!

 

Wie kann man die richtige Balance zwischen einer autonomen & doch wirksamen Erziehung finden? Wo soll bzw. muss ich Grenzen setzen?

Sehr gute Frage – wobei es zuerst für jeden heißt, was er/sie denn unter einer wirksamen Erziehung versteht. Das heißt, es ist wichtig, welches Ziel wir denn damit verfolgen, wie wir mit unserem Kind umgehen.

Ja, und auch nicht erziehen zu wollen, ist ein Ziel! Selbst kein Ziel haben zu wollen, ist
ein Ziel… Wenn du dir nicht sicher bist, wo du eine Grenze ziehen sollst, dann frage dich kurz: Wird etwas Wertvolles beschädigt? Kann jemand verletzt werden? Wenn beide Antwort „Nein“ lauten, muss nicht zwingend eine Grenze gesetzt werden – dann komme zurück auf deine Erziehungsziele und entscheide danach, ob und wenn ja, welche Grenze du ziehen willst.

Eine Grenze muss übrigens nicht immer zwingend ein verbales Verbot sein. Grenzen kann man auch wunderbar durch Umweltgestaltung setzen, vor allem im Kleinkindalter. Die zerbrechliche Bodenvase für einige Monate in den Keller zu stellen, ist viel effektiver und vor allem nervenschonender als dem Kleinkind beibringen zu wollen, dass es sich an ihr nicht hochziehen darf.

 

Kontakt

Vera Rosenauer begleitet mit “Abenteuer Erziehung” Mütter von Babys, Klein- und Vorschulkindern in allen Fragen der Erziehung und Ernährung. Mehr von ihren Gratistipps rund um Beikost, Grenzen setzen und Selbstwert stärken findest du auf ihrer Website.

www.abenteuer-erziehung.at
Mail: office@abenteuer-erziehung.at

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