Interview mit Claudia Purzer – babys10 Hebammen-Expertin in München



 

Claudia, wieso ist es denn derzeit so schwierig, eine Hebamme in München zu finden?

Das erklärt sich dadurch, dass München eine sehr teure Stadt mit hohen Mieten und Lebenshaltungskosten ist. Diese Faktoren stehen leider in einem extremen Gegensatz zu der schlechten Bezahlung von Hebammen. Zusätzlich fehlt die Unterstützung für Hebammenarbeit seitens der Politik und Kassenverbände. Dadurch sehen sich immer mehr Kolleginnen gezwungen, ihren wunderschönen und erfüllenden Beruf aus wirtschaftlichen Gründen aufzugeben und sich beruflich umzuorientieren. Gerade freiberufliche Hebammen beginnen ein Studium oder wählen bewusst Berufe, in denen sie bei deutlich weniger Zeitaufwand bessere Verdienstmöglichkeiten haben.

Durch diese Entwicklung kommt es gerade in Ballungszentren immer mehr zu akuten Engpässen. Die Versorgung durch eine Hebamme wird schon bald zum Privileg, obwohl eigentlich jeder Mutter diese Betreuung vom Gesetzgeber her zusteht. Schließlich ist die Hebammenbetreuung eine Kassenleistung, für die Frauen monatlich Beiträge zahlen. Wenn jedoch die Rahmenbedingungen, ob bewusst oder unbewusst, nicht mehr gegeben sind, um von diesem Beruf zu leben, kippt das System. Leidtragende sind am Ende werdende Mütter bzw. die frisch gebackenen Familien.

 

Fast jedes dritte Kind in Deutschland kommt per Kaiserschnitt zur Welt. Wie hoch ist die Rate in München und wieso ist die Zahl der Kaiserschnitte in den letzten Jahren derart gestiegen?

Das ist in der Tat eine sehr traurige Entwicklung. Die Rate in München liegt bei 32,5 Prozent. Den Frauen wird von einigen Seiten suggeriert, eine natürliche Geburt wäre für sie und das Baby gefährlicher. Das ist natürlich kompletter Blödsinn. Eine Kaiserschnittentbindung ist ein Segen, wenn es der Mutter oder dem Baby nicht gut geht.

Jedoch ist es enorm fahrlässig, bei den steigenden Wunschkaiserschnitten nicht deutlicher darauf hinzuweisen, dass ein großer Bauchschnitt auch eine Menge Risiken und Schmerzen mit sich bringt. Natürlich ist es seitens der Kliniken lukrativer, geplante Kaiserschnitte durchzuführen. Diese bringen mehr Profit, sind gut planbar und zeitlich absolut berechenbar.

Wenn sich dieser Trend fortsetzt, macht dies die Hebamme in der Geburtshilfe auch weitgehend überflüssig. Kaiserschnitte werden von Ärzten durchgeführt und nur aufgrund §4 im Hebammengesetz muss eine Hebamme pro forma mit anwesend sein. Kippt dieser Paragraph wegen des stetig steigenden Hebammenmangels, wird es noch deutlich mehr Kaiserschnitte geben.

 

Was sind deine Aufgaben als Hebamme in München?

Ich arbeite derzeit im vor- und nachgeburtlichen Bereich. Das heißt, ich betreue die Frauen und ihre Familien ganz individuell über die gesamte Schwangerschaft in der Praxis und bereite sie in Geburtsvorbereitungs- und Säuglingspflegekursen auf die Entbindung sowie den neuen Lebensabschnitt mit einem Baby vor. Nach der Geburt besuche ich die Frauen im Wochenbett zur Nachsorge, gebe Rückbildungs- und Babymassagekurse und bin bis zum Abstillen bzw. bis zur Ernährungsumstellung auf „Breikost“ für die Familien da. Zusätzlich biete ich Akupunktur, TCM und Hypnose an. Also das ganzheitliche Paket, mit Ausnahme der Geburtshilfe.

 

Worin unterscheiden sich die Abläufe einer freiberuflichen Hebamme in München mit denen einer festangestellten Hebamme im Krankenhaus? Was sind die Folgen/Auswirkungen für die werdende Mama?

Die vor- und nachgeburtliche Arbeit wird in den Kliniken, bei nicht pathologischen Schwangerschaftsverläufen, in München kaum angeboten. Hier ist also der Unterschied, dass es in der Regel überhaupt keine Betreuung und Begleitung vor und nach der Geburt durch eine Hebamme gibt. Das wäre aus meiner Sicht ein riesengroßer Verlust und ist mit vielen Unsicherheiten und Risiken für die Frauen und ihre Familien verbunden. In der Folge käme es zu großen Engpässen bei den betreuenden Kinder- und Frauenärzten, die diese Hebammenaufgaben zusätzlich übernehmen müssten.

Ansonsten unterscheidet sich die Arbeit dadurch, dass ich als freiberufliche Hebamme die hohen Haftpflichtversicherungsprämien und das „unternehmerische Risiko“ bei unbezahlter 24-Stunden-Erreichbarkeit selber tragen und mich nebenbei auch noch um die Buchhaltung und den sämtlichen Papierkrieg kümmern muss. Hier sind die festangestellten Kolleginnen in den Kliniken mit geregelten Arbeits- und gesetzlich vorgeschriebenen Urlaubszeiten sowie der Haftpflichtversicherung über den Klinikträger definitiv im Vorteil. Dem gegenüber steht wiederum die Eins-zu-eins-Betreuung von Frauen, welche ich als riesigen Vorteil meiner freiberuflichen Tätigkeit sehe und dies einer der Beweggründe war, mich als Hebamme selbständig zu machen. Im Optimalfall ergänzen sich Klinik- und freiberufliche Hebammen und gewährleisten so die optimale Betreuung der Mütter.

 

Viele (werdende) Eltern in München sind besonders bei der ersten Geburt stark verunsichert, was kannst du ihnen als Hebamme mit auf den Weg geben und auf was sollten sie besonders achten?

Schwangerschaft und Geburt sind natürliche Vorgänge und ein Zeichen für Gesundheit, also erst mal ein Grund sich zu freuen und den Moment zu genießen. Die Eltern haben nun 40 Wochen Zeit, sich auf den großen Tag der Geburt und die Zeit mit dem Baby optimal und individuell vorzubereiten. Mein Rat für die Münchnerinnen wäre, sich so früh wie möglich um eine Hebamme zu kümmern. Dabei sollten sie darauf achten, eine Hebamme zu wählen, die zu ihnen passt und auch nach der Geburt für die kleine Familie da ist. Außerdem rate ich ihnen, sich darüber zu informieren, welcher Geburtsort bzw. welche Klinik für sie geeignet ist, um sich dort fristgerecht anzumelden. In München ist es zudem auch sehr empfehlenswert, sich bereits während der Schwangerschaft um einen Kinderarzt zu kümmern.

 

Was war die außergewöhnlichste Frage, die dir in deiner Berufslaufbahn als Hebamme in München gestellt wurde?

Außergewöhnlich war beispielsweise ein werdender Vater, der mich im Geburtsvorbereitungskurs nach Rezepten für „Plazentagerichte“ gefragt hat. Da ich leider passen musste, schickte er mir im Laufe des Tages tatsächlich ein Rezept für „Rehplazenta“, mit dem Vermerk, dies doch bitte an alle Kursteilnehmer weiterzuleiten. Um diese Geschichte abzuschließen: Der besagte Vater hat die Plazenta seiner Frau tatsächlich gegessen. Die frisch gebackene Mutter war zu diesem Zeitpunkt noch im Krankenhaus. Als ich dann bei ihnen zur Wochenbettbetreuung war, hat er mir freudestrahlend berichtet, er habe sich das gute Stück wie Gulasch zubereitet. Das sind die skurrilen Erlebnisse, die den Hebammenberuf auf eine ganz spezielle Weise interessant machen.

Kontakt: www.hebammenpraxis-muenchnerkindl.de

 

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